Korea Report



2. Tag


Teil 1. Seoul, alt.






Morgens im Fernsehen gab's Werbung für Kimchi. Fernseh-Mama entpackte das Gemüse und gab ein Stück davon, feuerrot mit Chili-Pasta beschmiert, ihrer... fünfjährigen Tochter!
Das Mädchen nam das bestialische Ding in ihren kleinen rosa Mund und fing an, zu kauen.
Ich bekam Gänsehaut und so richtig Angst um das Kind.
Das Mädchen schluckte und erblühte in einem fröhlichen Lächeln.
Ich erlitt eine akute kognitive Dissonanz.

An diesem Tag war eigentlich das Bewundern der Seouler Sehenswürdigkeiten eingeplant.

Wir standen arg früh auf, frühstückten schnell und waren um 8:30 am Tonhwamun, dem Tor des Changdeokgung / Changgyeonggung Palastgartens.


Völlig umsonst, von ein paar Fotos abgesehen. Der sich in der Palastanlage befindliche königliche Ahnenschrein wird für die Öffentlichkeit um 9 Uhr geöffnet. In den Palästen selbst sind nur organisierte Gruppen zugelassen, und die nächste Gruppenführung auf Englisch gab's um 11:30. (Schlampig geplant? Nö. Dynamisch und flexibel.)

Solange zu warten kam also nicht in Frage, und wir suchten unser Glück beim Gyeongbokgung Palast.

Das letzte koreanische Königshaus, Joseon Dynastie (1392-1910), hat in Seoul mehrere grandiose Bauten hinterlassen. Unter Anderem fünf Paläste: Gyeongbokgung, Changdeokgung, Changgyeonggung, Deoksugung und Gyeonghuigung, umrahmt von wunderschönen Gartenanlagen, und drei Tore: Namdaemun, Dongdaemun und Gwanghwamun, umrahmt von Hochhäusern und wildem Seouler Straßenverkehr. (Ich hoffe, ich habe mich nirgendwo vertippt...)


Gyeongbokgung ist die größte Palastanlage Seouls. Ursprunglich bestand sie aus 330 Gebäuden mit 5.792 Zimmern. Gebaut im Jahr 1394, diente sie mehrere Jahrhunderte lang als Sitz der koreanischen Monarchie. Demzufolge litt sie am schwersten während der japanischen Eroberungen, wurde aber immer wieder neu aufgebaut.

Im Jahr 1895 wurde hier Imperatorin Myeongseong von japanischen Agenten ermordet. Daraufhin verließ die Familie des Imperators Gyeongbokgung und kehrte nie wieder zurück.

Während der japanischen Besatzung 1910-1945 wurden bis auf 10 alle Gebäude des Gyeongbokgung zerstört. Das sich davor befindliche Tor Gwanghwamun wurde umgesetzt, und gegenüber dem Thronsaal wurde das Haus des Japanischen General-Gouverneurs errichtet.

Mehrere Jahre nach dem Rückzug der Japaner ließen Koreaner das Haus des General-Gouverneurs stehen, und brachten da sogar das Nationalmuseum Koreas unter. Im Jahr 1996 war die Geduld wohl zu Ende, und dieses Symbol der japanischer Macht wurde feierlich abgerissen, um die Energie der alten Korea zu befreien.

Das Nationalmuseum bezog im Jahr 2005 den eigens dafür errichteten Gebäudekomplex. Im letzten Schritt setzt man jetzt das Tor Gwanghwamun auf seinen Stammplatz zurück - auf der Zentralachse des Gyeongbokgung, dem Thronsaal gegenüber.


Auf diesem weitläufigen Platz vor dem Thronsaal empfing ein Joseon-König die Bediensteten seines Staates. Die steinernen Stelen kennzeichnen Standorte, wo sie sich einzureihen hatten, entsprechend dem jeweiligen Rang.

Der Thron- oder Audienzsaal selbst ist naturgemäß der prunkvollste Raum im ganzen Gyeongbokgung.


Beachten Sie bitte das Bild hinter dem Thron - das ist das Symbol des Königreichs. Mit seinen Bergen, die direkt hinter  Gyeongbokgung anfangen, und Sonne mit Mond, die darüber scheinen.

Der Audienzsaal selbst, ganz Gyeongbokgung und die anderen vier Seouler Paläste stehen unübersehbar unter chinesischem Einfluß.


Das spiegelt sich sowohl in der Farbwahl und Symbolik, als auch in der Architektur der Häuser und Galerien, mit ihren pagodaähnlichen Dächern. Auch die Gartenanlagen muten chinesisch an - geräumige Rasenflächen und exakt platzierte Bäume.

Der Garten des Gyeongbokgung wird zusätzlich von zwei kunstvoll angelegten Teichen geschmückt.


Die Lotuspflanzen waren schon abgeblüht, und streckten ihre Samenkörbchen der zärtlichen Herbstsonne entgegen.


Bin ich eigentlich die Einzige, wen eine Lotusfrucht an den E.T. erinnert?

Übrigens, die Menschenleere auf den Bildern täuscht.


Das ist das Ergebnis meiner Geduld und meines Reaktionsvermögens. Eigentlich war die Palastanlage voll mit Menschen, die dem Alltag entfliehen und das schöne Wetter genießen wollten.

Man wird dabei öfters gebeten, jemanden zu fotografieren. Kein Problem - man zählt auf Koreanisch bis drei: "Hana, tul, set!" (Das konnte ich bereits aus meinen Taekwondo-Zeiten.) Muss man die Person bitten, näher zu treten, winkt man mit der Handfläche nach unten. Vorsicht, mit der Handfläche nach oben zu winken ist eine Beleidigung - so rufen Koreaner ihre Hunde zu sich.

Möchte man wiederum selbst jemanden / etwas fotografieren, funktioniert ganz gut Folgendes (Achtung, englische Aussprache):

  • Lächeln!
  • "Annyeong-haseyo!" ("Ich grüße Sie!")
  • "Picture, juseyo?" ("Darf ich bitte Sie / das da fotografieren?")
  • Hat man die Einverständnis erhalten - keine Zeit verlieren.
  • "Gamsa hamnida!" (Vielen Dank!)
  • "Annyeonghi-gaseyo." ("Auf Wiedersehen.")

Dabei bitte eine Verbeugung nicht vergessen. Währenddessen nicht, wie Bruce Lee das gelehrt hat, dem Gegenüber in die Augen starren, sondern den Blick nach unten richten. Es ist keine Kampfansage, sondern eine Höflichkeitsgeste, und die ist Koreanern sehr wichtig. (Nicht einfach für einen Menschen aus der westlichen Hemisphäre, ich weiß.)

Andererseits, Höflichkeit hin oder her - möchte man ein populäres Objekt ansprechend vor die Linse bekommen, muss man ordentliche Ellenbogenarbeit leisten, um zwischen anderen Fotografen und fotografierenden Touristen zu bestehen. Zum Beispiel hier, privates Arbeitszimmer des Königs:


Der vierte König der Joseon-Dynastie, Sejong der Große (1397-1450), war nicht nur der Herrscher über sein Land, sondern auch ein hoch angesehener Gelehrter. Er gründete den Arbeitskreis "Die Halle der Verdienstvollen", der talentierte Wissenschaftler im ganzen Land unterstützte. Nicht nur das - der Monarch war selbst in der Forschung aktiv. Die wichtigste Innovation, die Sejong der Große mit seinen Mitarbeitern entwickelte, habe ich bereits erwähnt - es ist Hangeul, das koreanische Alphabet.

Um die Verdienste des größten koreanischen Königs entsprechend zu würdigen, verleiht UNESCO seit 1990 den König-Sejong-Preis für „außergewöhnliche Projekte oder Programme im Bereich der Grundbildung und Alphabetisierung“.

Auch diese Sonnenuhr wurde zu der damaligen Zeit erfunden.


Der Zeiger der Sonnenuhr ist nach Norden gerichtet. Die 7 vertikalen und 13 horizontalen Linien im Inneren des Topfs dienen der Zeitangabe, die 24 Zeichen am Töpfesrand stellen die Jahreszeiten dar.

Diese altehrwürdige Sonnenuhr konnte ich zwar nicht ablesen, aber meine eigene innere Uhr würde demnächst auf Mittagessen stehen. Also setzten wir unseren Rundgang schnellen Schrittes fort.

Gyeongbokgung ist ein populärer Ausflugsort für die Seouler Schulkinder. Manchmal sitzen sie um den Lehrer herum, hören zu oder füllen irgendwelche Fragebögen aus.


Die Disziplin und Konzentration, die sie dabei an den Tag legen, sind wirklich beeindruckend.

Manchmal gehen sie ordentlich paarweise von einer Sehenswürdigkeit zu der Anderen. Öfters laufen sie herum und umschwirren einen, bunt und flink wie Korallenfische. Dabei achten sie einerseits sichtbar darauf, einen nicht zu überrennen. Ein europäisches Gesicht komplett zu ignorieren, können sie andererseits auch nicht - "Hello!", "How are you?" und sogar "Handsome one!", kleines Fingerchen gen meinen Mann erhoben.

Da die Kids ganz Gyeongbokgung beherrschen, waren wir nach ein paar Stunden ständigen Grüßens ziemlich überfordert. Also bewegten wir uns in Eilmarsch zwischen den Bauten, und versteckten uns möglichst schnell in den Innenräumen wieder.

Hier zum Beispiel ein Herrenwohnzimmer:


Und das ist Salon einer Dame:


Helle lüftige Räume, mit wenigen dunklen Möbeln ausgestattet und Akzenten in frischen Farben - senr angenehme Farbgebung des Interieurs, nicht wahr? Plus Fußbodenheizung - damit werden Häuser in Korea schon seit mehreren Jahrhunderten ausgestattet.

Abschließend schauten wir uns das am meisten fotografierte Objekt in ganz Korea - die Gartenlaube im zweiten, privaten Teich der Königsfamilie.


Somit war unsere Exkursion in Gyeongbokgung zu Ende.

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