Korea Report



5. Tag


Seorak, hoch.





Zu früh.

Wir waren zu früh im Seorak Gebirge, um es in voller Herbstpracht zu erleben.  Über 20 Grad und Sonne - die Bäume strotzten vor Chlorophyll.

Lohnte es sich, trotzdem nach Seorak zu kommen? Klar! Diese Berge sind sehenswert, unabhängig von Laubfarben.

Hatten Sie irgendwann mal chinesische Malereien bewundert, mit ihren traumhaften Landschaften? Koreanische Kunst wurde stark davon beeinflußt. Mit einem Unterschied, auf den man in Korea mächtig stolz ist - chinesische Landschaften sind öfters mal erträumt. Koreanische - naturgetreu abgebildet.

Wir hatten zwei Tage, um uns selbst ein Bild davon zu machen.

An diesem Tag wurde die Route zur Geumganggul gewählt, der Höhle eines alten Mönchs. Sie führt am Tempel Sinheungsa und der Felswand Biseondae vorbei.


Bei weitem nicht der schlimmste Montag Morgen, oder?

Abgebildet ist hier übrigens nicht der Pfad selbst, sondern ein trockenes Flußbett, das ihn kreuzt. In diesem Teil der Route ist der Weg noch "easy" - da trafen wir sogar mehrere Naturparkbesucherinnen in Stöckelschuhen.

Offiziell stellt Seoraksan Nationalpark den Naturhungrigen vier Tagesrouten zur Verfügung: zur Mönchshöhle, auf den Fels Ulsanbawi, zu den Biryong Wasserfällen und zur Festung Gwongeumseong.

Alle Routen sind hervorragend ausgebaut und markiert. Die Schwierigkeitsgrade variieren - für jeden Geschmack ist was dabei: von "easy" (auf der Karte grün gekennzeichnet) über "medium" - gelb, bis "hard" - rot. 

Einen "grünen" Pfad erlebt man als einen lockeren Spaziergang. Bei einem "Roten" dagegen gelingt einem Büromenschen die Vereinigung mit der Natur am Besten - man möchte irgendeinen Steinbrocken umarmen und sich überhaupt nicht mehr bewegen. Nicht aus mystischen Gründen - vor Anstrengung.


Hier ist der Weg noch grün, nicht nur wegen dem chlorophyllgesättigten Laub. Man geht an einem leise schnurrenden Bach entlang, hört dabei Vögel und Zikaden zwitschern und  trifft ständig auf Streifenhörnchen und andere Touristen.

Diese Idylle kann man 3 km lang genießen, bis man die Biseondae Felsen erreicht. Hier verschlägt es einem den Atem.


Der Name "Biseondae" gebührt einer alten Legende - eine Fee war so sehr von der Schönheit dieses Ortes beeindruckt, dass sie ihn als Kulisse für ihren Himmelaufstieg wählte.

Jahrhunderte lang inspirierte diese Felslandschaft auch menschliche Poeten und Gelehrten. Die besonders gelungenen dieser Gedankenflüge gravierten die dankbaren Nachfahren in den Biseondaes Granit ein.

Zur Zeit tummeln sich vor allem Kletterer und Touristen hier. Kletterer sehen wohl ihren direkten Weg in den Himmel in dieser Felswand. Touristen bestaunen die atemberaubende Schönheit des Ortes und versuchen, vor dem letzten Abschnitt der Route zu verschnaufen - dem "roten" Abschnitt.


Sehen Sie die großen Felsbrocken im Flußbett? Ihre Kollegen garantieren natürliche Touristenauslese auf dem Weg zur Mönchshöhle. Rucksackbeladene Fotografen erhalten dabei keinen Nachlaß.

Hier trennen sich auch die Wege des kleinen Bachs und der Ausflügler - der Fluß folgt weiter seinem Tal, der Mensch überwältigt Stock und Stein bergaufwärts, in seinem Streben nach höhergelegenen Zielen.

600 Meter lang ist der rote Abschnitt bis zur Höhle. Die zweite Hälfte davon führt am Felsflanken entlang, und ist für alle Nichtkletterer nur über die ziemlich steilen Treppen zu bewältigen.


Für alle mit Höhenangst hätte ich hier einen Rat.  Beladen Sie sich mit einem schweren Rucksack - man fühlt sich dabei besonders erdverbunden. Hängen Sie sich eine dicke Kamera oder einen Backstein um den Hals. Deren Funktion wäre, zusätzlich schwer in der Hand zu liegen, oder Ihnen beim Treppensteigen liebevoll in die Rippen zu boxen.

Bei all dem Turnen mit Gewichten vergessen Sie nicht die Kunst - halten Sie gezielt Ausschau nach der  schönsten Szenerie und versuchen Sie, diese zu einem Bild zu gestalten. Bitte sich nicht zu sehr über den Handlauf hinauslehnen! Sie haben ja eine schwere Kamera um den Hals. Oder einen Backstein.

Diese Methode hilft! Als Ergebnis kann ich das Bild zum Thema "Berge" vorweisen, das sich im ersten Teil des Korea Reports befindet.

Aber warum muss man so viele Hindernisse auf dem Weg zu Geumganggul überwinden?

Der buddhistische Mönch, zu dessen Höhle wir gerade aufstiegen, wollte Eremitendasein führen. Also wählte er sich eine Wohnstätte, die zur Erfüllung seinens Wunsches nach Einsamkeit beitrug. Und zwar definitiv - was ist schon schwerer zugänglich, als ein kleiner Ausbruch mitten in einer riesigen steilen Felswand?


Insbesondere damals, als Tourismus noch nicht entwickelt war, und die stählernen Leiter noch nicht angebracht wurden. (Die Wolke? Ja, sie hing tatsächlich so im Himmel.)

Der Mönch ist längst nicht mehr da und seine Höhle ist in eine heilige Stätte verwandelt worden.


Eine ältere Frau in grauer Kutte hält die Höhle in Ordnung und beaufsichtigt die Touristen. Stellen Sie sich ihren täglichen Dienstweg vor...

Bei unserer Ankunft betete sie am Höhleneingang. Sie begrüßte uns kurz, erlaubte es, das Heiligtum zu fotografieren, und versank wieder in ihr Gebet.

Die zweite, heilige Hälfte ist vom Rest der Höhle durch einen erhöhten Fußboden abgegrenzt. Als ich meinen Rucksack darauf platziert habe, war das noch grenzwertig. Als ich mich darauf gesetzt habe, war das ein schlimmer Fehler. Sofort war die Frau zur Stelle und bat mich mit Gesten, freundlich aber bestimmt, davon wegzukommen. Sorry! Mian-hamnida!

Wir beide sind nicht buddhistischen Glaubens (sonst würde ich ja solche peinlichen Fehler nicht machen!), also war unser Aufenthalt in der Höhle nur kurz. Wir verabschiedeten uns von der Frau und machten uns auf den Abstieg.

Unten im Tal bot der kleine Bach an, die müden Füße in seinem Wasser zu erfrischen.


Wiederstehen? Den sanften kühlen Strahlen auf erhitzter Haut? Würden Sie das schaffen?

Der Weg durch das Bachtal führt auch an vielen kleinen Läden und Restaurants vorbei. Der gemeine Tourist wird auf dem grünen Teil der Strecke definitiv nicht verhungern können.


Wir wählten eine Gaststätte mit Ausblick auf die Biseondae Felsen. Bestellt wurden Kartoffelauflauf mit Tintenfisch und Bärlauch (10.000 Won, für meinen Mann) und Tintenfisch mit Reis in einer scharfen roten Soße (8.000 Won, some people never learn).

Bilder davon gibt's keine - der Hunger des Reporters war stärker, als sein Pflichtbewusstsein.

Als eine der Vorspeisen wurden uns gekochte Kastanien angeboten. Sie sind nicht leicht zu schälen, und man serviert in Korea normalerweise kein Messer als Besteck. Was tun?

Ein älterer Mann, der sich auf einer Bank in der Nähe ausruhte, hat unsere Schwierigkeiten bemerkt. Also erhob er sich, holte aus der Küche ein Messer und schnitt uns eigenhändig alle Kastanien auf.

Habe ich schon erwähnt, ich fühlte mich sehr wohl in Korea? Zum größten Teil ist das der Freundlichkeit deren Menschen zu verdanken.

Nach dem Essen ging's auf Jagd - man füttert ja die Hunde nicht davor, die Fotografen schon. Allerdings verbeißen sich die  Letzteren normalerweise nicht in ihre Beute. Nicht einmal, als sie wegzufliegen versucht - Vögel waren an dem Tag nicht in Stimmung für Fotos. Streifenhörnchen schon.

Streifenhörhchen sind wahre Freunde eines Naturfotografen. Sie sind neugierig und erdulden auch unbeholfene Annäherungsversuche. Sie sind hübsch wie Models und werfen sich gern in Pose. In jeder Pose verbleiben sie eine Weile, und schauen einem mit großen schwarzen Augen direkt ins Objektiv. Damit gönnen sie dem Fotografen mehrere Bilder, und sich selbst eine Nachdenkpause - gleichzeitig zu rennen und zu denken ist ja unbequem, oder?

Kurz - wenn alle anderen Tiere mal keinen Bock haben, auf Streifenhörnchen ist Verlass. Man sollte nur aufpassen, dass man sich mit denen nicht die halbe Festplatte bevölkert.

Dieser kleine Burunduk hatte mit Modeln eigentlich nichts im Sinn. Er hat ein leckeres Körnchen gefunden und wollte es in Ruhe verspeisen, die warmen Sonnenstrahlen genießend. Plötzlich lugte erst eine große Linse, und dann der ganze Paparazzo um die Ecke.


Zu seiner Ehre muss ich sagen, das Tier ließ das Korn nicht fallen! Es atmete nur tief durch und linste zurück.

Der Burunduk schenkte mir sogar mehrere Sekunden seiner Zeit, obwohl der Fototermin nicht vereinbart war. Danach pakte er sein Essen in die Backentasche und suchte sich ein ruhigeres Plätzchen an der Sonne.

Der nächste Fototermin war zwar auch nicht vereinbart, aber anscheinend erwünscht. Ein großes Krabbeltier saß mitten auf dem Fußgängerweg, die Aufmerksamkeit eines Fotografen suchend.


Natürlich konnte ich an einem willigen Model nicht vorbei!

Somit schauten die Passanten für eine Weile dem kostenlosen Zirkus zu - die Gottesanbeterin gab eine tierische Diva. Ich krabbelte herum und versuchte, sie in bestes Licht zu setzen.

Übrigens, das Licht schwand langsam, und die Jagd musste danach beendet werden - wir hatten noch eine Route vor uns. Die zu den Biryong Wasserfällen.

Die ersten 1,5 km dieser Strecke sind "grün", die restlichen 900 m - "gelb". Der Pfad führt einen anderen kleinen Bach entlang, der die Felsen auf seinem Weg in mehreren kühnen Sprüngen überwindet.

Biryong bedeutet eigentlich "fliegende Drachen". Nach einem Regen oder Schneetau könnten sich die Wasserfälle tatsächlich in solche verwandeln. Nicht aber nach mehreren sonnigen Tagen - wir sahen statt mächtiger Drachen eine Sammlung kleiner kostbarer Juwelen.


Außerdem wurden wir beim Wandern auf dieser Route zu einer Weinprobe eingeladen. Auf dem Hinweg haben wir das noch dankend abgelehnt. Auf dem Rückweg waren wir nicht mehr so standhaft.

Der dunkelrote Beerenwein stellte sich als lecker heraus, und passte abends im Hotel ganz gut zu den süßen Reisküchlein.

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